Idee und Text von Elke Leithner-Steiner
Nach Hause
Es regnet. Daher nehme ich heute den Bus nach Hause. Etwas erschöpft von meinem Arbeitstag sitze ich auf der Wartebank. In unserem Land weiß man nie so genau, wann der Bus wirklich kommt. Doch da höre ich ihn schon hupen. Was für ein Glück!
An meinem Platz blicke ich eine ganze Weile gedankenverloren aus dem Fenster, vielmehr auf die abgeklatschten Regentropfen. Da taucht kurz das lachende Gesicht der Lianenfrau – meiner feinstofflichen, weisen Freundin – inmitten der Regentropfen auf und dann zeigt sich darin etwas ganz anderes, nämlich …
Innere Welt
… eine größere Waldlichtung, in deren Mitte ein einfaches Holzhaus mit Veranda steht. Sein Anblick kommt mir irgendwie vertraut vor, was ich mir aber nicht erklären kann. Das Haus scheint bewohnt zu sein, denn alle Fensterläden sind geöffnet. Auf der Veranda stehen Möbel.
Außer mir ist an diesem sonnigen Nachmittag niemand sonst zu sehen. Es drängt mich, das Haus zu betreten und sein Inneres kennenzulernen. Also gehe ich neugierig näher. Seltsamerweise habe ich das ungute Gefühl, beobachtet zu werden.
Die Eingangstür ist nur angelehnt. „Hallo! Ist da jemand?“ Mein Rufen bleibt unbeantwortet. Auf der kleinen Veranda gibt es eine Bank und einen Schaukelstuhl. Alles wirkt sehr einladend und sauber, fast so, als ob eben noch jemand hier gewesen wäre. Mit den Händen an meinen Schläfen spähe ich durch die Fenster ins Innere, aber ohne etwas zu erkennen.
Dann öffne ich vorsichtig die Tür. Dabei quietscht sie leise. Abermals rufe ich, wieder kommt keine Antwort. Langsam gehe ich hinein und werde von einer behaglichen Atmosphäre begrüßt. Ich blicke mich um. Hübsch ist es hier!
Die Einrichtung wirkt richtig gemütlich. Auch hier drinnen ist es ordentlich und sauber. Holz liegt zur Verwendung bereit, den Esstisch ziert ein Tischtuch. Ich muss zugeben, dass es mir hier ausgesprochen gut gefällt.
Aber es bleibt weiterhin still. Nichts rührt sich. Ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass dieses Haus doch verlassen ist. Auch als ich zögerlich die Treppe in den ersten Stock hinaufsteige, finde ich nur leere, aufgeräumte Zimmer vor. Und noch immer begleitet mich das schleichende Gefühl, beobachtet zu werden. Aber von wem nur?
Beim Blick aus einem Fenster sehe ich einen verwilderten Gemüsegarten. Ob das Haus doch länger schon nicht mehr bewohnt ist? Nachdenklich steige ich die Treppe ins Erdgeschoss wieder hinunter.
Mutiger geworden, öffne ich einige Schubladen. Das Inventar ist vollständig, sogar Kerzen und Anzünder liegen bereit – und eine Zeitung! Als ich das Datum sehe, erschrecke ich. Es ist mein Geburtstag. Was hat das alles zu bedeuten?
Ratlos gehe ich wieder ins Freie und lasse mich auf die Bank sinken. Plötzlich höre ich eine klare Stimme: „Willkommen!“ Ich springe auf! Da ich niemand sehen kann, laufe ich einmal um das ganze Haus herum. Aber erfolglos. Ich setze mich wieder hin.
„Schön, dass du da bist!“ Wieder höre ich dieselbe Stimme, noch immer sehe ich kein Gesicht dazu. Und dann dämmert es mir endlich: Es ist das Haus selbst, das da zu mir spricht! „Richtig, ich bin es!“, sagt die Stimme, „Ich freue mich, dass du nach Hause gekommen bist.“
Dieser letzte Satz trifft mich mitten ins Herz und lässt spontan Tränen der Rührung über meine Wangen kullern. Zu Hause! Die Worte hallen wie immer wiederkehrendes Echo in mir nach. Ich spüre, wie eine lange währende Anspannung aus meinem Körper entweicht und einem Gefühl der Erleichterung Platz macht.
Nun weiß ich auch, dass es von Anbeginn das Haus war, das mich beobachtet hat. Mir scheint, als warte es auf irgendeine Reaktion von mir. Da schießt mir die Erkenntnis durch den Kopf und ich sage laut und bestimmt: „Ja, ich bleibe!“
Kaum ausgesprochen, spüre ich die Sonne kräftiger als zuvor auf meine Wangen scheinen. Ich meine, die umliegenden Bäume lächeln und die Pflanzen stärker im Licht schimmern zu sehen! Ein überwältigendes Gefühl von Willkommensein, Angekommensein, einfach – Zu-Hause-Sein – durchflutet mich!
Jetzt höre ich: „Ich habe immer an deine Rückkehr geglaubt.“
Zurück in der Realität
Es rüttelt mich. Der Bus hat angehalten. Noch etwas benommen von diesem inneren Erlebnis steige ich aus. Meine Gedanken arbeiten auf Hochtouren. Ich kann es kaum fassen:
In mir existiert also eine Kraft, die immer an mich glaubt!
Die letzten Meter bis zu meinem Haus habe ich das herrliche Gefühl zu schweben …
Erkenntnis
Heimat ist dort, wo ich bin.
Idee und Text von Elke Leithner-Steiner
Kunst von Birgit Neururer
#01 zum Anfang der Geschichte
Zum Anhören als YouTube PODCAST – Das Licht der Lianenfrau
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